Unter dem Motto „Gesundheitsversorgung in Zeiten von Big Data“ erörterten Experten an der Hochschule Ludwigshafen Perspektiven und Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung.
Gesundheitsökonomische Gespräche_Spektrum_1801 (1)
Am 20. Oktober 2017 verwandelte sich die Aula der Hochschule Ludwigshafen am Rhein in ein Tagungszentrum: An den 14. Gesundheitsökonomischen Gesprächen zum Thema „Gesundheitsversorgung in Zeiten von Big Data“
nahmen rund 150 Gäste aus allen Sektoren des Gesundheitswesens teil. Vorträge, Workshops und Diskussionen zeigten die Chancen auf, die sich mit einer intensiveren Nutzung digitaler Technologien mit Blick auf Gestaltung
und Optimierung gesundheitlicher Versorgung verbinden. Gleichzeitig wurde auf sektorspezifische Herausforderungen und Limitationen aufmerksam gemacht.
EHealth und Big Data sind zwei Schlüsselbegriffe, die fälschlicherweise zum Teil synonym verwendet werden. Einführend grenzte Karl Poerschke von der Managementberatung PwC Strategy& diese Begriffe gegeneinander ab:
Während eHealth-Anwendungen die gesundheitsbezogene Vernetzung und Kommunikation zwischen Menschen, Organisationen, Sensoren/Aktoren und IT-Systemen im Gesundheitswesen realisieren, ermöglicht Big Data im
Gesundheitswesen die schnelle und qualitativ hochwertige Aggregation, Analyse und Auswertung von Daten zur Umwandlung in entscheidungsrelevante Informationen. Konkret heißt das: Big Data beschreibt Analysemethoden, eHealth dagegen die Anwendung digitaler Technologien
im Gesundheitswesen (Abb. 1). Die im Rahmen von Big Data-Anwendungen auszuwertenden Daten liegen größtenteils in unstrukturierter Form vor, zum Beispiel Rezepte, Arztbriefe, Röntgenbilder, CT-Scans oder Sprachdateien.
Hinzu kommen strukturierte Routinedaten wie etwa Abrechnungsdaten. Daran knüpfte Professor Dr. Kurt Marquardt, RHÖN-KLINIKUM AG, in seinem Workshop zur digitalen Transformation der Versorgungskette an.
Der Experte zeigte hier auf, wie mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die in Patientenakten enthaltenen Informationen aufbereitet und ärztlichen sowie pflegerischen Versorgungsentscheidungen zugänglich gemacht werden
können. Wert legte er dabei auch auf den konstruktiven Umgang mit Bedenken im Zuge der betrieblichen Umsetzung: Es gelte, Ärzte und Pflege zu unterstützen, nicht diese zu ersetzen.
Aufbauend auf einem Überblick über die potentiellen Anwendungsfelder von Big Data in der Gesundheitsversorgung (Abb. 1) erläuterte Professor Dr. Harald Binder von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sehr anschaulich
die Nutzung im Rahmen der wissenschaftlichen Medizin anhand von Daten aus der Genomsequenzierung. Er zeigte, wie zunächst unstrukturiert erscheinende genetische Information mittels Verfahren der KI schrittweise
analysiert wird und sich dadurch die in den Daten enthaltenen Strukturen erkennen lassen. Im letzten Vortrag des Vormittags ging Professor Dr. Heinrich Hanika von der Hochschule Ludwigshafen auf die komplexen rechtlichen Herausforderungen im Umgang mit Digitalisierung und
Big Data ein. Um den Tagungsgästen konkrete Hilfestellung bei Fragen von Datenschutz und Datensicherheit zu geben, entwickelte er einen Handlungsleitfaden zur rechtssicheren Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung. Neben dem durch Kurt Marquardt geleiteten Workshop zur digitalen Transformation der Versorgungskette wurden
parallel zwei weitere Arbeitsgruppen angeboten:
Im Workshop von Clarissa Lemmen vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie am Klinikum der Universität Köln wurde mit der Systemmedizin ein Konzept vorgestellt, das darauf zielt, mit Hilfe von Big Data die Gesundheitsversorgung von der Erforschung von Krankheitsursachen über die Prävention bis zur individualisierten Therapie datengetrieben auszurichten.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Gelegenheit, an einer Erhebung zur Akzeptanz der Systemmedizin teilzunehmen und Aspekte zu diskutieren, die die Umsetzung der Systemmedizin befördern, verzögern oder behindern. Der Workshop von Dr. Stefan Edinger, AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, und Matthias Waack, Gesundheitsforen Leipzig GmbH, widmete sich den Chancen und Herausforderungen von Digitalisierung
und Big Data in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mehrere Teilgruppen diskutierten, wie Digitalisierung die GKV in fünf Jahren verändert haben wird. Ausgehend von einer Stärken-Schwächen-Analyse wurden dabei neue (Produkt-)Ideen entwickelt und deren Auswirkungen auf Versicherte, Leistungserbringer und die Kostenträger selbst untersucht sowie Erfolgsfaktoren und Herausforderungen identifiziert. In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden verschiedene Themenbereiche vertieft und neue aufgegriffen.
Schwerpunkte bildeten Maßnahmen gegen bestehende Infrastrukturdefizite im IT-Bereich im ländlichen Raum und regulatorische sowie betriebliche Hemmnisse bei der Umsetzung digitaler Versorgungsinnovationen. Ausgehend von einem Vergleich zwischen dem e-Vorreiterland Estland und Deutschland entspann sich eine lebhafte Auseinandersetzung über das Verhältnis zwischen Akzeptanz und Verbreitung digitaler Technologien einerseits und dem allgemeinen Niveau der Gesundheitsversorgung
andererseits. Als Moderatorin führte Yasemin Böhnke, Leiterin Stabstelle
Kommunikation der Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH, ebenso beschwingt wie fachlich versiert durch die Tagung. Die lebhaften Diskussionen in den Workshops, in den Pausen und im Plenum zeigten, dass das Konzept
der Veranstaltung aufgegangen ist: das Thema Big Data in der Gesundheitsversorgung wissenschaftlich fundiert und dennoch anwendungsbezogen im Austausch der Disziplinen und Perspektiven zu beleuchten. Diesem Ansatz folgen auch die für Rheinland-Pfalz einmaligen
und bundesweit ebenfalls nur in kleiner Zahl existenten gesundheitsökonomischen Studienangebote des Fachbereichs Management, Controlling, HealthCare der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. Organisiert werden die Gesundheitsökonomischen Gespräche
unter wissenschaftlicher Leitung von Professorin Dr. Eveline Häusler und Professorin Dr. Elke Raum durch das Institut für Management, Ökonomie und Versorgung im Gesundheitsbereich – IMÖVG mit großzügiger finanzieller Unterstützung durch den Förderverein Gesundheitsökonomie an der Hochschule Ludwigshafen e. V., in dem sich zahlreiche Kooperationspartner der gesundheitsökonomischen Studiengänge aus allen Sektoren des Gesundheitswesens zusammengeschlossen haben. Hervorzuheben ist zudem die tatkräftige Unterstützung durch ein engagiertes studentisches Organisationsteam.